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Der grausame Fund

Hans Geßners Fund
Man schrieb das Jahr 1692. Der Bauer und Gerichtsschöppe Martin Geßner zu Thurm mähte auf seiner Wiese Grumt. Sein Sohn Hans hütete das Zugvieh. Dabei näherte sich der Junge dem Teiche. Plötzlich stand er still und starrte erschrocken in das Wasser. Dann rannte er auf den Vater zu und rief: "Im Teiche liegt ein Mann ohne Kopf!" Der Bauer will es nicht glauben, aber er muß sich doch von der Wahrheit der Worte seines Sohnes überzeugen.
Der Besitzer des Thurmer Rittergutes, Heinrich von der Mosel, verfugte, daß die Leiche am Teichrande eingescharrt werden sollte. Der Superintendent von Glauchau wandte sich dagegen und bat dringend darum, dem Toten die Friedhofsruhe nicht zu versagen. Die Leiche des Unbekannten erhielt darauf ihre Ruhestätte in einem Winkel des Friedhofs von Thurm.
Einige Zeit später kam es an den Tag. Es handelte sich bei dem grausigen Funde um einen gewissen Johann Wolff Eckardt, den seine Spießgesellen "den Wachtmeister" nannten. Der kehrte im Spätsommer des erwähnten Jahres im Gasthofe zu Beutha ein, dessen Besitzer der damals lange unerkannte Räuber und Bandenführer Nicol List war.
Eckardt brachte sein Pferd in der Scheune unter. Er geht in die Gaststube. Dort sieht er den List und zwei seiner Kumpane, den dicken Karl Heinrich, auch "Dulle" genannt, und den langen Heinrich, der den Spitznamen "der Lange" trägt. Donnerwetter! Eine wenig angenehme Gesellschaft. Die beiden Heinrichs haben dem Wachtmeister aus nicht unbekannter Ursache den Tod geschworen. Am liebsten wäre der Ankömmling umgekehrt.
List setzte Eckhardt zu Essen vor. Aber die finsteren, haßerfüllten Blicke der Genossen des Wirtes lassen den Wachtmeister befürchten, das Essen könne vergiftet sein. Er nimmt deshalb keinen Bissen zu sich und verlässt alsbald den Raum. Die Drei folgen ihm auf dem Fuße. Ehe er sein Pferd besteigen kann, schlägt einer mit der Pistole so ins Gesicht, daß er weder zu reden noch zu schreien vermag. Dann fallen Dulle und der Lange über ihn her, werfen ihn zu Boden und - schneiden ihm den Kopf ab. Kaltblütig sieht Nicol List zu.
Die Mörder nehmen des Toten Kleidung und vergraben sie unter der Schwelle der Scheune, um sie später zu verkaufen. Den Sattel verstecken sie hinter dem Gänsestall. Der Kopf wurde wahrscheinlich in dem nahen Wäldchen verscharrt. Während der Nacht ritten Dulle und der Lange ab. Das Pferd des Wachtmeisters und seine kopflose Leiche nahmen sie mit. Im Mülsengrund entledigten sie sich schließlich der unbequemen und verräterischen Last, indem sie diese in Thurm in einen Teich warfen.

Aus: Zwickauer Tageblatt und Anzeiger vom 16. Dezember 1940.

Auszug aus "Nicolaus List/Das Leben eines Räubers und Mörders" von Schulleiter i. R. Hottenroth, Gersdorf:

Hannß Wolf Eckhardt, der "Wachmeister" genannt, hatte in einem Dragoner-Regiment gedient. Es war ihm aber in demselben ein Unglück widerfahren, wie er selbst erzählte. Wahrscheinlich hatte er einen Kameraden bestohlen. Er wurde aus dem Soldatenstande ausgestoßen. Ein Valentin Eckardt war im kriege List's Wachtmeister gewesen. Hannß Wolf behauptete, es sei sein Bruder. Er erhielt deshalb den Spitznamen "Wachtmeister". Er trieb sich in der Hauptsache mit dem "Dicken Heinrich" im Vogtland herum und nährte sich durch Pferdediebstahl. Mit List führte er jedoch auch manche Diebesfahrt aus. Bei Teilung der Beute hatte einst der "Dicke Heinrich" in Gera einen seiner Genossen, den Juden Elias, erschossen. Wahrscheinlich war die Mordtat vom Wachtmeister ausgeplaudert worden. Jedenfalls schwor ihm der "Dicke Heinrich" den Tod. Der "Wachtmeister" wurde am 10. Oktober 1695 von dem "Dicken Heinrich" in List's Scheune ermordet und sein kopfloser Körper in den Teich zu Thurm geworfen.

Aus: "Aus der Heimat", Beilagen zum Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger, Nr. 10, 12. Jahrgang, vom Oktober 1937.

Abschrift aus dem Begräbnisregister der Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Urban zu Thurm vom Jahre 1695, Seite 43, Nummer 16:

"Den 28. Septembriz habe Ich einen Cörper begraben, welcher dem 26 by in Martin Geßners Teich ohne Kopf und Kleidung gefunden, Wo er erschlagen worden, und wie Er dahin kam, ist Gott bewust."