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Obermülsen, Lange Mülsen, Niedermülsen
In der "Neuen Sächsischen Kirchengalerie", Ephorie Glauchau, 1910, Spalte 907, heißt es, dass der Ort Mülsen St. Micheln auch "Obermülsen" genannt sei. Diese Mitteilung von Oberpfarrer Heß lässt sich urkundlich wohl kaum erhärten. Vermutlich handelt es sich um einen Irrtum.
Um dies zu beweisen, führen wir einige andere Stellen desselben Buches an. Spalte 453 schildert der ehemalige Pfarrer von Mülsen St. Jacob, M. Schluttig, wie im Jahre 1406 die Grafschaft Hartenstein von Heinrich von Meißen an Veit von Schönburg verpfändet wurde, bestehend "aus dem Hochland des Erzgebirges, dem Fichtelberg, dem Schwarzwasser, dem Bogen der Mulde bis Hartenstein und Wildenfels bis hinüber an die Zschopau. Dazu gehörte auch Crottendorf, Lößnitz, Elterlein, Scheibenberg, Alt- und Neuwiesental, Stein, Wildenfels, Geyer und Obermülsen". Nun hat Mülsen St. Micheln nachweislich nie zu Hartenstein gehört, wohl aber Mülsen St. Niclas und der größte Teil von Mülsen St. Jacob. Wir schließen daraus, daß es sich bei Ober-Mülsen dann um diese Orte handeln muß. Das geht auch deutlich aus einer weiteren Bemerkung der "Kirchengalerie" hervor. Spalte 455 heißt es: "St. Jacob wird mit Mülsen St. Niclas Obermülsen genannt." Der niedere Teil von Mülsen St. Jacob gehörte zu Lichtenstein. Ob er mit zu Obermülsen gerechnet wurde, lässt sich nicht sagen.
Volle Klarheit, daß es sich bei "Obermülsen" nicht um Mülsen St. Micheln handelte, erhalten wir durch die von dem ehemaligen Pfarrer Schneider von Mülsen St. Micheln aufgeführte Niederschrift eines seiner Vorgänger, die auf das Jahr 1710 zurückdatiert und auf Spalte 503 steht. Dort bemerkt ein Magister Vogel, daß die "Pastores" vor ihm ihr Bier unter anderem bei Obermülsen, eben Mülsen St. Niclas (vielleicht in Verbindung mit Mülsen St. Jacob), bezogen.
Dies lässt sich auch vereinbaren mit der Tatsache, daß Mülsen St. Niclas vor Jahrhunderten im oberen Mülsengrunde der wichtigste Ort gewesen ist. Mülsen St. Jacob ist sicher später entstanden und mehr als eine Verlängerung von Mülsen St. Niclas nach Nordwesten anzusehen. Als Beweis dafür könnte gelten, daß Mülsen St. Jacob bis 1796 zu Mülsen St. Niclas gehörte und somit erst verhältnismäßig spät ein eigenes Kirchspiel bildete, das jüngste überhaupt im ganzen Mülsengrund.
Hier sei eingefügt, daß für Mülsen St. Niclas und Mülsen St. Jacob zeitweilig auch noch ein anderer Name gebräuchlich war. Im Schönburgischen Urkundenbuch V liest man: "Während des Bauernkrieges (1525) haben viele Einwohner zu "Langen Mülsen" sich widerspenstig genug gezeigt. Deshalb ist denen zu St. Nicolaus und zu St. Jacob zu ewigen Gedächtnis diese Sedition (Aufstand) auferlegt worden, daß sie jährlich auf einen bestimmten Tag eine Frone tun müssen, als Stöcke ausroden, oder was sie sonst heiße tun, es sei nun eine nötige oder unnötige Arbeit." Die Fron soll noch 1566 bestanden haben. ¹)
Magister E. W. Richter, Rektor zu Hainichen, berichtet in seiner Beschreibung des Königreichs Sachsen (erschienen 1846 in Freiberg) ebenfalls, daß Mülsen St. Niclas auch Obermülsen genannt sei.
Bei Mülsen St. Micheln scheint das Hauptgewicht des Ortsnamens immer auf den Bestandteilen "Sanct" und "Michael" gelegen zu haben, während das Wort "Mülsen" erst später hinzugefügt wurde. Heute bezeichnet man im unteren Grunde Mülsen St. Jacob kurz als Mülsen. Als Artikel wird die weibliche Form bevorzugt. "In Mülsen St. Jacob" heißt auf gut mülsnerisch: "In dr Milsn".
Übrigens spielte der Name Obermülsen auch in neuerer Zeit noch einmal eine Rolle. Als Bürgermeister Weigel 1920 sein Amt im damaligen Neudörfel antrat, strebte er danach, die Schwierigkeiten, die sich im Bezug auf die Postzustellung aus der Tatsache des Vorhandenseins von dreizehn Ortschaften gleichen namens im Sachsenlande ergaben, durch eine Namensänderung zu beseitigen. In Dresden schlug man unter anderem auch die Bezeichnung Obermülsen vor, aber 1922 fand der Vorschlag des Bürgermeisters, auf Neuschönburg lautend, endgültige Anerkennung. Zum Schluß sei bemerkt, daß 1854 zum ersten Male das zu Ortmannsdorf gehörige Marienau in den Kirchenbüchern als Hintermülsen Erwähnung findet.
¹) Aus alten Briefaufsätzen geht hervor, daß der Ausdruck "die lange Mülsen" sich bis in das vorige Jahrhundert erhielt.
Aus: Zwickauer Tageblatt und Anzeiger vom 12. Dezember 1940
(Anmerkung: Im Zinsregister aus dem Jahre 1493 wird Mülsen St. Jacob in "Ober-Jocoff" und "Nider-Jocoff" unterschieden)